8. Bachfest Schaffhausen vom 3. – 10. Mai 1964
Wieder zurück an seinem Gründungsort Schaffhausen fanden die Konzerte 1964 bei den Besuchern mehrheitlich grossen Anklang. Gemäss Statistik besuchten ca. 14‘000 Zuhörer aus dem In- und Ausland die zwölf Anlässe, was bis zum heutigen Tag – natürlich unter Berücksichtigung der zahlenmässig geringeren Aufführungen – nicht mehr erreicht wurde. Redaktor und späterer IBG-Präsident Erwin Waldvogel schrieb in der Schaffhauser Nachrichten unter dem Titel «Bachfest – kein Festival...» wichtige Gedanken zur Art des Musikfestes im Geiste Bachs. Dazu umschrieb er die Qualität des jeweils ausgewählten Programms, die hervorragenden Interpreten, Chöre, Orchester und Dirigenten, die zur Verfügung stehenden einmaligen Räumlichkeiten, die Schönheit der umliegenden Region, speziell aber die bescheidene, jedoch beeindruckende Haltung gegenüber der Musik-Kultur aller Besucher und Gäste. Dieser Aufsatz hat Wirkung bis zum heutigen Tag. Es ist daher nur zu hoffen, dass die für Schaffhausen einzigartige und gegenüber anderen Musikorten sich abhebende Bezeichnung Bachfest beibehalten wird!
Bemerkenswert ist neben den Klängen der beiden Tasten-Instrumentalistinnen – der Wienerin Isolde Ahlgrimm (Cembalo) und Rosalyn Tureck aus London (Klavier) – bestimmt auch die h-Moll-Aufführung des Münchner Bachchores unter der Leitung von Karl Richter. Bei den Orchesterkonzerten brillierten die Festival Strings Lucerne mit Rudolf Baumgartner als Leiter. Zu dem von früheren Bachfesten bekannten Solisten-Trio Maria Stader, Ernst Haefliger und Hermann Schey trat die unvergessliche Marga Höffgen mit ihrer reichen und ausdruckkräftigen Alt-Stimme als überaus geglückte Ergänzung dazu. Noch heute kann man von älteren Bachfest-Besuchern den bewundernden, ja liebenswürdigen Ausspruch hören: «wie sang doch die Höffgen himmlisch...»!

9. Bachfest Schaffhausen vom 30. April – 7. Mai 1967
Mit diesem Bachfest begannen vermehrt die Einsätze ausländischer Ensembles. Immer mehr Musikerinnen und Musiker interessierten sich für eine Teilnahme an den nun schon zur Tradition gewordenen Bachfesten in Schaffhausen. Aus Stuttgart kam das Kammerorchester unter der Leitung von Karl Münchinger wiederholt zum Einsatz. Nebst Isolde Ahlgrimm waren Silvia Kind und Fritz Neumeyer bei einem denkwürdigen Cembalo-Konzert in der Kirche St. Johann zu hören – ja sogar ein wenig auch zu sehen! Stadtpräsident Walther Bringolf pflegte intensiv sein grosses Netzwerk, indem er viele Persönlichkeiten aus der Politik, Wirtschaft und Kultur zu Konzerten nach Schaffhausen einlud. So begegneten sich Bundesrat Roger Bovin und der Diplomat und grosse Historiker Carl Jakob Burckhardt bei einem Konzert im Münster, ferner fand der deutsche Bankier Hermann J. Abs, der Mitbegründer der Ansbacher Bachwoche, den Weg nach Schaffhausen. Zum letzten Mal stand (sass...) Walther Reinhart bei der Aufführung des Magnificats und seiner selbst bearbeiteten Kantate «Singet dem Herrn ein neues Lied...» BWV 190 auf dem Dirigentenpult vor den Schaffhauser Chören. Wie immer schloss das Bachfest mit den Klängen und eindrücklichen Worten der h-Moll-Messe, dieses Mal aufgeführt vom Münchner Bach-Chor unter der beeindruckenden und für Schaffhausen neuakzentuierten Art der Leitung durch Karl Richter.

10. Bachfest Schaffhausen vom 3. – 10. Mai 1970
Zum 10. Mal fanden in Schaffhausen die herrlichen Tage des Bachfests statt. Der Nachfolger im Amt des Stadtpräsidenten von Walther Bringolf, Dr. Felix Schwank, eröffnete den musikalischen Grossanlass im Kreuzsaal des Museums zu Allerheiligen. Dabei konnte er wiederum einen Vertreter des Bundesrates, BR André Chevallaz, sowie den während der Weltkriegsjahre berühmt gewordenen Historiker und Journalisten Prof. J. R. von Salis begrüssen. Der letztere war häufiger Gast unserer Bachfeste. Auch in der Welt der Solisten – speziell bei den Vokalsolisten – kamen neue Gesichter bzw. neue Stimmen in den Konzerten zum Einsatz. Nachdem in den neun vorangegangenen Bachfesten stets die weit über die Grenzen hinweg berühmte Sopranistin Maria Stader zu hören war, begann mit dem zehnten Bachfest eine neue Ära bei den Sopranstimmen. Weiterhin aber beschenkte der grandiose Tenor Ernst Häfliger die Schaffhauser Konzertbesucher mit dem unvergleichlichen Timbre seiner Stimme. Weitere grosse MusikerInnen besuchten Schaffhausen, wie die Cembalistin Zusana Ruzickova, die Geigerin Edith Peinemann und auch das Linde-Konsort.
De Nederlandsche Bachvereenining aus Narden führte zusammen mit dem Radio-Orchester Hilversum die h-Moll-Messe auf. Wie bei den letzten Bachfesten wurden auch dieses Mal zwei Festgottesdienste mit lokalen SolistInnen, Musikerinnen und Musikern gefeiert. Die grosse Schar der Kirchenbesucher zeigte, dass diese Gottesdienste sehr geschätzt wurden. Dies war ein klares Zeichen an die Organisatoren, dass diesem Teil des Bachfests auch in Zukunft grosse Beachtung geschenkt werden sollte.

11. Bachfest Schaffhausen vom 27. Mai – 3. Juni 1973
Das 11. Bachfest besass den Charakter einer sogenannten «normalen Ausgabe». Mit Ausnahme der h-Moll-Aufführung durch Bach-Chor und -Orchester aus Mainz unter der Leitung von Diethard Hellmann (IBG-Präsident 1991–2000) und einem Kantaten- und Motetten-Abend mit den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben, traten bei diesem Fest mehrheitlich Interpreten aus der Schweiz, ja sogar aus der näheren Nachbarschaft (Winterthur, Zürich, Lausanne etc.) auf.
Das Stadtorchester Winterthur entwickelte sich in diesen Jahren immer weiter zu einem sog. «Festival-Ensemble». Obwohl man beim Musikanlass in Schaffhausen nicht diese Bezeichnung verwendete, war es ein Ausdruck des damaligen Zeitgeistes, welcher dann mit Beginn des 21. Jahrhunderts wieder zurück zur ursprünglichen Bezeichnung geführt wurde. Ein dazu sehr lobenswerter und ungeschminkter Aufsatz aus früheren Jahren, aus der Feder von Erwin Waldvogel (IBG-Präsident 1982–1988) stammend, formulierte den Begriff Bachfest Bezug auf Schaffhausen klar und deutlich! Möge es auch so bleiben.
Bei den Solisten durften die Zuhörer viele zum damalingen Zeitpunkt noch unbekannte Namen erleben, die sich in den späteren Jahren zu den bevorzugtesten MusikerInnen emporarbeiteten, wie z.B. Jörg Demus, die Geschwister Chumachenco und Maurice André. Bei den Vokalsolisten begannen die Sopranistin Elisabeth Speiser, die Altistin Herta Töpper, der Tenor Kurt Huber und Bass Kurt Widmer in Schaffhausen Fuss zu fassen, gepaart mit langjährigen Solisten wie Ursula Buckel, Ernst Häfliger und anderen.

12. Bachfest Schaffhausen vom 15. – 22. Mai 1977
Bei diesem Bachfest zählten wohl die Aufführungen von Messen und weiteren Chorwerken durch den Thomanerchor aus Leipzig zu den Highlights. Mit grösster Anstrengung glückte die «Freigabe» der Thomaner bei der restriktiven Regierung der damaligen DDR. Bestimmt erinnern sich ältere Schaffhauser an die Situation, als die Thomaner-Knaben bei Schaffhauser Bach-Freunden ihre Unterkunft erhielten. Nun mussten sie in der evangelischen Heimstätte Rüdlingen «kaserniert» werden. Abgesehen von der immer strenger werdenden und unkooperativen Haltung der ostdeutschen Regierung lehnten jene «Herrscher» die privaten und für sie politisch zu gefährliche Unterbringung der Jugendlichen ab. Dies hatte zur Folge, dass solche Auftritte in der Geschichte des Bachfestes Schaffhausen leider für die restliche Lebens-Zeit der DDR unmöglich geworden waren.
Im gleichen Jahr waren wohl die beiden Orchesterkonzerte, das eine mit The Academy of St. Martin-in-the-Fields aus London und das andere mit dem Kölner Kammerorchester, weitere Höhepunkte. Einmal mehr gastierte die Cembalistin Zuzana Ruzickova – mit ihrem unvergesslichen und virtuosen Spiel – gleich mit zwei Kammermusikabenden im Stadttheater. Die wie immer das Bachfest abschliessende h-Moll-Messe erfolgte im St. Johann durch den Münchner Bach-Chor mit dem Dirigenten Karl Richter. Es war wohl der Anfang seiner grossen Karriere in Schaffhausen, die sich dann ins Ansbach und ganz Europa fortsetzte.

13. Bachfest Schaffhausen vom 12. – 18. Mai 1980
Einige Konzertbesucher warfen der Organisation vor, man könne doch im Wonnemonat Mai kein Weihnachtsoratorium aufführen. Dieses Konzert, sogar als Eröffnungsanlass eingefügt, wurde aber zu einem grossen Erfolg. Die örtlichen Chöre Schaffhausen (Frauenchor und Männerchor), begleitet vom Stadtorchester Winterthur und unter der Leitung von Hugo Käch, erfüllten die an sie gestellte Aufgabe bestens. Sicher war auch die Sopranistin Kari Lövaas eine erfreuliche Neuheit für die Konzertbesucher.
Einmal mehr waren die The Academy of St. Martin-in-the-Fields aus London in Schaffhausen zu Besuch. Als Solist trat zusammen mit dem New Irish Chambre Orchestra Dublin der in allen Konzertsälen der Welt zu hörende Flötist James Galway auf. Gleich zwei der grossen Hauptwerke von Johann Sebastian Bachs wurden an diesem Bachfest aufgeführt. Zum einen die Matthäus-Passion durch den Kreuzchor und die Philharmonie Dresden – die Leitung lag in den Händen vom später sehr bekannten Dirigenten Martin Flämig – zum anderen ein Orgel- und Motettenkonzert. Die h-Moll-Messe führten der Dirigent Helmuth Rilling, die Gächinger Kantorei und das Bach-Kollegium Stuttgart mit einigen neuen Solisten – Namen von wie Arleen Augér (S), Juli Hamari (A), Adalbert Kraus (T) und Wolfgang Schöne (B) – auf. Dazu kam ein Orgel- und Motettenkonzert aus Dresden.

14. Bachfest Schaffhausen – in Mainz vom 16. – 23. Mai 1982
Aus organisatorischen Gründen wurde das 14. Bachfest bereits im Jahre 1982, d.h. ein Jahr früher als im üblichen Abstand von drei Jahren durchgeführt. Einmal mehr erstrahlte das von der IBG-Programmkommission gewählte Programm mit vielen herrlichen Konzerten. Nebst den Schaffhauser Chören, die als Eröffnung des 14. Bachfests die Johannes-Passion im St. Johann aufführten, traten die japanische Oratorien-Gesellschaft sowie das Bach-Kollegium Tokio mit einer interessanten Aufführung der h-Moll-Messe vors Publikum. Speziell erwähnenswert war auch der Festgottesdienst im Münster, der vom Chor der Kantonsschule – geleitet von Werner Geissberger – mit Werken, einmal nicht von Johann Sebastian Bach, sondern von Claudio Monteverdi, ausgestaltet wurde. In Kleinformationen wurden zwei Mittagskonzerte in der Rathauslaube mit dem Titel «Mittagspause bei Familie Bach» durchgeführt. Dieser Neuheit war ein grosser Erfolg beschieden und solche Zwischenkonzerte wurden bei späteren Bachfesten immer wieder angeboten. Beim Orchesterkonzert konnte man die Festival Strings Lucerne aus Luzern geniessen.
Bei einem speziellen Cembalorezital trat Johannes Sonnleitner im Stadttheater vors zahlreiche Publikum. Peter Schreier als Tenor wurde bei einem Kammermusikabend vom Linde Consort begleitet. Das gleiche Quintett führte das «Musikalische Opfer» in der stimmungsvollen Kirche Santa Maria auf. Ein Grundstein dieses Festes war – nebst den grossen Werken Bachs – die Aufführung von geistlichen Kantaten. Die jubilierenden Tölzer Knaben wurden von Mitgliedern des Bayerischen Staatsorchester begleitet. Wenn man bis zum heutigen Tag noch von einem Konzert dieses Bachfestes mit höchster Anerkennung spricht, ist dies das Konzert in der Bergkirche St. Moritz in Hallau mit dem Titel italienische Orgelmusik. Obwohl kein einziges Bachwerk zu hören war, beeindruckten die mehrheitlich eher unbekannten italienischen Komponisten die Zuhörerschaft. Luigi Tagliavini spielte an der für solche Werke sehr geeigneten Orgel.
